1. Home
  2. Blog
  3. Duale Ausbildung nichts wert?

Blogeintrag

Duale Ausbildung nichts wert?

Warum die mediale Darstellung zur Qualifikationsprämie die falschen Signale setzt

„Ein Studium bringt 2,3 Millionen Euro“ titelt die FAZ (23.01.2014), die Bildungsrendite eines Hochschulabsolventen läge damit über den Erwerbsverlauf hinweg doppelt so hoch wie bei Personen ohne Ausbildung. Die mit solchen Schlagzeilen vermittelte mediale Message ist: nur ein Studium lohnt sich. Und viele schlussfolgern daraus, eine duale Berufsausbildung würde sich nicht mehr „rechnen”. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen.

2013 strömen junge Menschen erstmals mehrheitlich nach dem Abschluss der Schule in die Hochschulen statt in die Betriebe (Hall, Krekel 2014). Vielleicht auch, weil sie in den Medien immer wieder vorgerechnet bekommen, dass sich scheinbar nur ein Studium lohnt.

Der genannte FAZ-Artikel (aber auch Focus und alle anderen berichten ähnlich) bezieht sich auf Studien des IAB (Möller 2013; Schmillen, Stüber 2014). Betrachtet werden Daten für 40-jährige männliche Vollzeitbeschäftigten West und gerechnet wird die so genannte Qualifikationsprämie – definiert als der durchschnittliche prozentuale Bruttomehrverdienst gegenüber Personen ohne abgeschlossener Berufsausbildung und ohne höherem Abschluss. Demnach gewinnt ein Beschäftigter mit Uniabschluss gegenüber einem ohne jegliche Ausbildung oder Schulabschluss im Jahr 2010 beachtliche 166%, im Jahr 1984 lag der Abstand noch bei 114% lag. Die Studie konstatiert eine stark Spreizung seit Mitte der 1990er Jahre (Möller 2013, 14).

So weit so gut, Bildung „rechnet“ sich und das ist gut so. Wer aus diesen Daten aber eine Abwertung der beruflichen Bildung gegenüber akademischen Abschlüssen ableiten will, hat zu kurz gedacht. Denn: Schließlich sind nur Jugendliche mit Abitur in der Lage nach der Schule zwischen einer berufsqualifizierenden Ausbildung im dualen oder im akademischen System zu wählen. Auf dieser Ebene sollte dann auch der Vergleich stattfinden. Und auf einmal sieht man – auf Basis exakt der gleichen Daten – ein etwas anderes Bild.

Betrachtet man die lebenspraktisch wesentlich realistischeren Alternativen zwischen Abitur mit Dualer Berufsausbildung im Vergleich zu FH- und Universitätsabschluss, dann finden sich deutlich geringere Unterschiede. So liegt die Qualifikationsprämie von Beschäftigten mit FH-Abschluss im Vergleich zu denen mit Abitur und Berufsausbildung im Jahr 2010 bei 23,5%, der Abstand zwischen Abi/Berufsausbildung und Universitätsabschluss liegt bei 36,2%. Der graduelle Abstand der Qualifikationsprämie zwischen FH- und Universitätsabschluss liegt bei nur 10,7%.

Vergleicht man die Qualifikationsprämien der drei möglichen abiturfolgenden Abschlüsse in den Erhebungsjahren 1984 und 2010, so zeigt sich auch im Zeitverlauf alles andere als eine dramatische Spreizung: das Delta zwischen Abitur mit Lehre liegt bei 3,35% gegenüber FH-Abschluss und bei 3,98% gegenüber einem Uni-Abschluss. Im gleichen Zeitraum hat sich am Abstand zwischen FH- und Uni-Abschluss kaum etwas bewegt – das Delta zwischen 1984 und 2010 beträgt nur 0,24%.

Die Unterschiede zwischen akademischen Abschlüssen und solchen auf Basis einer Ausbildung im Dualen System dagegen sind – bei vergleichbarem Schulabschluss – moderat und rechtfertigen keinesfalls den Schluss, es lohne sich ökonomisch nicht, nach dem Abitur eine Duale Ausbildung als berufliche Einstiegsqualifikation zu wählen. Die moderaten Unterschiede zwischen lassen sich noch weiter relativieren:

  • Die IAB-Studie vergleicht Männer im Alter von 40 Jahren, in diesem Alter klaffen die Entgelthöhen nach Qualifikationshöhe am stärksten auseinander, im weiteren Erwerbsverlauf schließt sich die Schere wieder etwas (Schmillen, Stüber 2014, 3–4).
  • Die Kosten für das Studium müssten abgezogen werden: Diese lagen im Sommersemester 2012 bei durchschnittlich 864 Euro monatlich (Middendorf et al. 2013, 21). Bei einer durchschnittlichen Studienzeit von 10,6 Semestern im Masterstudium (Destatis 2013, 17) liegen die abzuziehenden Kosten bei 54.950 EUR. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Ausbildungsvergütung von derzeit 767 EUR monatlich (DGB 2014, 35) summiert sich bei einer dreijährigen Berufsausbildung zu einem Einkommen von 27.612 EUR.
  • Die Studie vergleicht Unterschiede in den Qualifikationsprämien 40-jähriger Männer; dabei fallen die Unterschiede zwischen Männern und Frauen teils größer: schon die Einstiegsgehälter von Hochschulabsolventinnen sind – selbst bei besseren Abschlussnoten in der gleichen Qualifikation – um 8,7% niedriger als bei Männern, ein Unterschied der innerhalb weniger Jahre auf bis zu 20% anwächst (Wüst, Burkart, 2010).
  • Alle dualen Ausbildungsberufe in einen Topf zu schmeißen greift ebenso zu kurz wie ein undifferenzierter Blick auf akademische Abschlüsse. So liegt der Verdienstunterschied zwischen akademischen Abschlüssen in den MINT-Fächern (FH und Uni) 24% über dem anderer akademischer Fachrichtungen (Klös, Plünnecke 2013, 4).
  • Beim retrospektiven Blick in die Daten wird oft vergessen: eine akademische Ausbildung bot frühere Geburtskohorten mehr Chancen für eine Führungsposition damit verbundene Einkommenssprünge. Wer sich bspw. 1980 nach der Schule für ein Studium entschied, konkurrierte im Erwerbsleben gerade mal 19,9% akademisch Qualifizierten seiner Kohorte (Destatis 2014), 2013 lag die Studienanfängerquote bei 57,5% (BMBF 2014, 297). Ein akademischer Abschluss allein bringt dieser Kohorte für das Erreichen einer Führungsposition im späteren Erwerbsleben wohl kaum mehr vergleichbare Wettbewerbsvorteile.

Es gibt also Unterschiede, höhere Bildungsabschlüsse führen üblicherweise zu höheren Qualifikationsprämien. Die oben dargestellten Unterschiede im Einkommen von einer Qualifikationsstufe zur anderen empfinden wohl viele auch als angemessen. Sie haben wenig mit der – vor allem medialen – Darstellung der Unterschiede der beiden Extreme zu tun. Dass in der wissenschaftlichen wie öffentlichen Debatte diese im Mittelpunkt stehen, transportiert – bewusst oder unbewusst dramatisierend – eine sachlich auf Grund der zum Beleg heran gezogenen Daten nicht gerechtfertigte Aufwertung von Hochschulabschlüssen gegenüber der Dualen Berufsausbildung.

BMBF (2014). Berufsbildungsbericht 2014. Bonn.
Destatis (2013). Hochschulen auf einen Blick. Ausgabe 2013. Wiesbaden.
Destatis (2014). Bildung und Kultur. Nichtmonetäre hochschulstatistsische Kennzahlen. 1980 bis 2012. (No. Fachserie 11). Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.
DGB (2014). Ausbildungsreport 2014. Berlin: DGB.
Hall, Anja, & Krekel, Elisabeth M. (2014). Erfolgreich im Beruf? Duale und schulische Ausbildungen im Vergleich (2/2014). Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung.
Klös, Hans-Peter, & Plünnecke, Axel (2013). Fachkräftebedarfe in Deutschland: Komplementarität von beruflicher und akademischer Ausbildung. Ifo Schnelldienst, 66(23), 6–11.
Middendorf, Elke, Apolinarski, Beate, Poskowsky, Jonas, Kandulla, M., & Netz, Nicolai (2013). Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland 2009. 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt durch HIS Hochschul-Informations-System. Bonn, Berlin: BMBF.
Möller, Joachim (2013). Bisher keine Anzeichen einer Überakademisierung. Ifo Schnelldienst, 66(23), 11–15.
Schmillen, Achim, & Stüber, Heiko (2014). Bildung lohnt sich ein Leben lang (No. 1/2014). Nürnberg: IAB.
Wüst, Kirsten, & Burkart, Brigitte (2010). Womit haben wir das verdient? Weniger Gehalt bei besserer Leistungen-jobs study. WSI-Mitteilungen, 63(6), 306–313.

Qualifikationstabelle
Qualifikationsprämie mal anders gerechnet

Zurück